Renate Konrad hält Italien sowohl mit ihrer Kamera als auch mit Worten fest. In ihrer Buchreihe „Immer wieder Italien“ erzählt sie von ihren Reiseerlebnissen in den verschiedensten italienischen Regionen. So hat sie die Inseln Elba und Capraia erlebt:
Von Elba dachten wir immer, es sei für unseren Geschmack zu touristisch. Und zu langweilig, denn wir sind keine reinen Strandmenschen. So ließen wir Elba lange links liegen. Bis wir mal irgendwo eine Reliefkarte hängen sahen. Die fanden wir ziemlich beeindruckend. Also planten wir Elba für die nächste Toskanareise ein. Aber auch einen Gegenpol, nämlich die kleine Insel Capraia, die ganz im Norden des Toskanischen Archipels liegt. Und leider so weit von der Küste entfernt, dass sich ein Tagesausflug kaum lohnt, denn dann säßen wir länger auf der Fähre als im Café auf der Insel. Viel mehr kann man dort wahrscheinlich nicht unternehmen. Den Ort hat man schnell erkundet und wenn man mehr erleben möchte, muss man dort übernachten.
Wir mailen also der Pension Da Beppone, erhalten jedoch keine Antwort. Auch nicht beim nächsten Versuch. Sollte es noch zu früh sein? Das Hotel öffnet bestimmt erst im Mai und vielleicht liest Beppone seine Mail auch erst dann. Nicht schlau, aber möglich wäre es. Irgendwann geben wir den Plan Capraia auf – bis unsere Reise entlang der toskanischen Küste Formen annimmt. Da kann ein Tagesausflug nach Capraia integriert werden, und zwar von Livorno aus. Schon die Überfahrt mit der Fähre entschädigt uns für das frühe Aufstehen. Das Traghetto ist alles andere als überfüllt, so dass wir die Fahrt und die Sonne in Ruhe genießen können. Nach fast drei Stunden ist Land in Sicht! Wir sind gespannt, was uns erwartet. Nicht viel. Das sehen wir schon, bevor wir von Bord gehen. Die Insel hat außer dem Hafenort vor allem viel Grün zu bieten.
Erfrischungstücher als Vistienkarten
Schon nach wenigen Schritten stehen wir vor Beppones Hotel. Das schauen wir uns natürlich gleich mal von innen an. Es ist klein und gefällt uns auf Anhieb. Auch das Küchenpersonal, das gerade dabei ist, mit Meerblick das Gemüse zu putzen, ist sehr sympathisch. Statt in der Küche sitzen die beiden Damen mitten im Restaurant, das noch geschlossen hat. Wir hätten gern eine Visitenkarte mitgenommen. Als wir darum bitten, reicht uns eine Signora ein eingeschweißtes Erfrischungstuch mit den Worten: „Da steht alles drauf.“ Wir bedanken uns und versuchen, das Lachen zu unterdrücken, bis wir draußen sind. Ein Erfrischungstuch! Die dunkelrote Packung mit dem Erfrischungstuch liegt übrigens noch heute zwischen den Visitenkarten meiner Sammlung.
Der Hafenort ist sehr überschaubar. Aber fotogen, das muss man sagen. Insbesondere die zwei gelben Kirchen. Aber auch an der Küste gibt es einzigartige Motive. Von dem Weg aus, der sich vom Hafen den Berg hoch schlängelt, haben wir tolle Aussichten. Die Fähre erscheint, verglichen mit den kleinen Häusern im Ort, wie ein Koloss. Dem Weg wären wir gerne weiter gefolgt, aber irgendwann machen wir kehrt. Erstens haben wir nur ein paar Stunden und zweitens Hunger. Zur Mittagszeit bewegen sich alle Tagestouristen auf ein einfaches Restaurant zu. Wir eingeschlossen, obwohl wir solche Lokale sonst möglichst meiden. Wir sitzen draußen auf einer schattigen Terrasse und lassen uns verwöhnen. Was will man noch mehr? Im Restaurant sind wir die einzigen Ausländer. Herrlich, dieses italienische Chaos! Nachdem die Bedienung hektisch, aber routiniert die ersten zwei Gänge serviert hat, kehrt eine erholsame Ruhe ein.
Capraia: ein Paradies für Naturfreaks und Taucher
Schade, dass wir nicht länger bleiben können, uns bei Beppone einmieten, bis zum Abend einen Spaziergang in der Natur machen und am nächsten Tag eine Bootstour entlang der Küste zur berühmten Cala Rossa und zu den Grotten. Aber viel länger würden wir es dort nicht aushalten; zwischen den 400 Einwohnern wäre es uns auf Dauer zu langweilig. Naturfreaks und Taucher kommen hier bestimmt auf ihre Kosten, aber wir brauchen mehr Trubel.
Und den finden wir auf Elba. Unser Hotel liegt mitten in Portoferraio, der Hauptstadt. Am Fährhafen wartet praktischerweise schon ein Shuttle-Bus, der uns in die Altstadt bringt. Jedenfalls bis zum Stadttor am Jachthafen. Von dort aus sind wir im Nu an einem großzügig angelegten Platz, an dem das kleine, aber traditionsreiche Hotel „Ape Elbana“ liegt. Am Jachthafen und in der Altstadt tobt das Leben. Dass viele Touristen unterwegs sind, fällt allerdings erst abends auf. Die zahlreichen Restaurants sind dann gut besetzt und es wird flaniert.
Kino unterm Sternenhimmel
Heute Abend flanieren wir nicht, denn wir gehen zum „Cinema sotto le stelle“. Wir lieben das sogenannte Kino unter den Sternen. In Portoferraio befindet es sich beim Torre del Martello, am Jachthafen – eine tolle Lage! Wir sind schon auf den Kinoabend gespannt. Der beginnt natürlich erst, wenn die Sonne untergegangen ist. Unsere Italienischkenntnisse reichen überhaupt nicht aus, um einen Film wirklich zu verstehen, aber davon lassen wir uns nicht abschrecken. Es geht um das Erlebnis an sich, die Atmosphäre. Die Leute gehen zu zweit aus oder treffen sich mit Freunden. Oder beides. Die herzliche Begrüßung, die Diskussion um die Getränke, das ständige Umsetzen, bis die richtige Position gefunden ist und die erste Zigarette angezündet werden kann: interessant zu beobachten. Vor allem die herausgeputzten Frauen, die ihre schulterfreien Tops nicht mit einer Strickjacke verdecken möchten. Und aus dem Grund auch gleich darauf verzichtet haben, eine mitzunehmen. Nach einer halben Stunde sind sie immer durchgefroren. Heute dauert es keine zehn Minuten, denn der Wind hat hier am Wasser freies Spiel.
Das Faszinierende ist, dass wir die Hauptstadt Elbas für einen abwechslungsreichen Urlaub nicht verlassen bräuchten. Wir besichtigen das „Forte Falcone“ am Strand sowie Napoleons Domizil in Toplage. Gleich nebenan befindet sich sogar ein kleiner Strand, den wir jedoch nicht besuchen, denn wir haben in Portoferraio gleich mehrere Strände zur Auswahl. Sozusagen in der Stadt! Da wäre der beliebte Kieselstrand „Le Ghiaie“ am Forte, wo wir gerne im warmgelben Abendlicht zu Abend essen. Am romantisch gelegenen Strand „Padulella“ herrscht eine derart familiäre Stimmung, dass wir uns dort schon fast als Störenfriede fühlen. Die tollste Lage hat der Strand „Capo Bianco“, der am Fuße blendend weißer Klippen liegt.
Im Käfig auf den Monte Capanne
Natürlich bleiben wir nicht nur in der Hauptstadt, sondern erkunden praktisch die ganze Insel. Ein Auto braucht man dafür übrigens nicht. Vom Fährhafen fahren Busse in alle Himmelsrichtungen. Sie bringen uns zu schnuckeligen, aber touristischen Orten und zu wunderbaren Stränden. Und nach unseren Wanderungen sorgen sie dafür, dass wir wieder nach Hause kommen. Optimal! Vom Traumstrand „Biodola“ aus haben wir den Monte Capanne im Blick. Oft verschwindet die obere Hälfte des Berges in den Wolken. Wir passen einen Tag ab, an dem der Gipfel sichtbar ist und fahren mit dem Bus nach Marciana. Von dort aus nehmen wir die Seilbahn. Zu zweit in einer Art Käfig stehend, schweben wir nah am Boden dahin. So erreichen wir fast unbemerkt eine Höhe von tausend Metern. – Vollkommen unspektakulär, aber wunderbar!
Ganz im Gegensatz zum Abstieg! Die anfängliche Kletterpartie überwinden wir ohne Knochenbrüche und erreichen endlich einen Weg, der uns hoffentlich in das idyllische Dörfchen führt, dass wir dort unten schon liegen sehen. Aber die Entfernung täuscht, denn wir sind schon eine ganze Weile unterwegs. Bergab und dann so anstrengend, wie ist das denn möglich? Vielleicht liegt es an der Hitze, denn wir haben über dreißig Grad im Schatten – nur, dass der Schatten hier fehlt! Erst mal Pause. Wir setzen uns unter einem einsamen Baum, um etwas zu essen. Lange halten wir es da jedoch nicht aus. Durch die aufgeheizten Steine um uns herum haben wir das Gefühl, in einem Backofen zu sitzen. Für uns sind diese Temperaturen unerträglich, Schlangen hingegen finden sie herrlich. Es ist also nicht verwunderlich, dass wir Besuch bekommen. Vor Schreck fahren wir hoch, packen alles schnell zusammen und verschwinden schleunigst. Unterwegs machen wir nur noch einmal Halt. Und zwar, um das Dorf Poggio von oben zu fotografieren. Verwinkelte Gassen, steile Straßen und Treppen. Und wenn uns nicht alles täuscht, sehen wir dort eine Bar.
Oh je, ob die auf hat? Während wir durch den Ort gehen, treffen wir nämlich nur auf ein paar Katzen. Der ganze Ort scheint ausgestorben, denn es ist Siesta. Aber wir haben Glück: Auf der schattigen Terrasse der Bar lassen wir uns nieder und erholen uns von der anstrengenden Tour. Im Nachhinein finden wir, dass es doch ein tolles Erlebnis gewesen ist. Schon angefangen bei der Bar oben auf dem Berg. Nach zwei Cappuccini hatte ich zu meinem Entsetzen entdeckt, dass die einzige Toilette kaputt war. An der Tür stand in großen Buchstaben GUASTO, was so viel heißt wie: kaputt. Beim meinem zweiten Versuch verließ gerade ein Gast die angeblich kaputte Toilette, schloss ab und reichte dem Barista den Schlüssel. Der Barmann will offenbar, dass nur seine Gäste die Toilette benutzen. Konsumzwang nennt man das. Also, wir würden uns auch ganz ohne Zwang auf der Terrasse des Monte Capanne niederlassen, etwas trinken und die wundervolle Aussicht genießen.
Von Renate Konrad sind bisher erschienen: „Senza niente“, „Non solo isole“ und „Dolce far niente“. Auf ihrer Website gibt’s mehr Infos und Fotos zur Buchreihe „Immer wieder Italien“.
Inseln haben etwas Besonderes. Je kleiner die Insel, um so größer das Inselgefühl. Die Insel Giglio, auch in der Toskana, auch ein Taucherparadies, auch empfehlenswert. Unter ‚Ausflüge‘ steht ein Artikel darüber: Tutto a posto: Ein Ausflug auf Giglio und den Monte Argentario.
Giglio, Giannutri, Capraia, Elba … Im toskanischen Archipel sind eigentlich alle Inseln schön. Muss man sich nur noch entscheiden – oder einfach alle besuchen …
Das stimmt, aber sie sind sehr unterschiedlich. Mit Elba ist keine zu vergleichen.
Also ob ich vor Gilio heute noch tauchen möchte? Irgendwie würde mir die Costa, auf der doch einige Menschen ertrunken sind und einige noch nicht aufgefunen, den ungetrübten Spass verderben. Capraia ist zauberhaft und dass das moderne Marketing inkl. gedruckter Visitenkarten bei Beppone noch nicht Einzug gehalten hat, ist ein Grund mehr, dort ein paar Tage zu verbringen, um zu „entschlenigen“, um das Unwort mal sinnvoll zu gebrauchen. Man muss ja auch nicht dauernd herumkraxeln…
Helena, da hast du allerdings Recht, sowohl was Giglio als auch was Capraia betrifft … Hier übrigens ein interessanter Artikel über den Stand der Bergungsarbeiten: http://www.spektrum.de/alias/schiffsungluecke/die-bergung-der-costa-concordia/1200829
Danke Max für den Link, ein hochinteressanter Artikel. Da dort Profis am Werk sind hoffe ich, dass sich die Costa wie geplant aufrichten lässt, damit alle Materialien sachgerecht entsorgt werden können. Ich war übrigens mit dem Schwesterschiff der Concordia unterwegs über den Atlantik nach Brasilien, ein schönes Schiff. Unfassbar, was menschliche Dummheit gepaart mit Aufscheidertum, Arroganz und wohl mit ziemlich Alkohol getränkt, damit anzustellen vermögen.