Gorgona: das idyllische Alcatraz der Toskana

Eine felsige Insel, auf der gerade mal so ein Gefängnis Platz hat: Das muss Alcatraz sein – oder Gorgona!

Gorgona, Cala Maestra
So schön kann eine Gefängnisinsel sein.

Gorgona ist eine der sieben Inseln des Toskanischen Archipels (zu dem auch Elba gehört), und zwar die nördlichste und mit 2,2 Quadratkilometern auch die kleinste. Seit 1869 ist sie – ähnlich wie Pianosa – eine Gefängnisinsel. Und damit eine touristische Attraktion der besonderen Art.

Das Meer ist die Gefängnismauer

Das Gefängnis besteht bis heute. Besser gesagt, so richtig bestanden hat es nie, denn die Häftlinge leben hier seit jeher im offenen Vollzug, ganz ohne Gitterfenster und Mauern; das Meer bildet die natürliche Hürde, die jede Flucht aussichtslos macht.

Insel Gorgona, Toskana, Italien
Gorgona vom Boot aus gesehen

Doch wer will von hier schon fliehen? Die Insassen haben aufgrund ihrer Vergehen zwar allesamt sehr lange Haftstrafen zu verbüßen, doch nur die letzten Jahre dürfen sie (bei guter Führung, versteht sich) auf Gorgona verbringen. Und auch nur dann, wenn sie bestimmte Fähigkeiten mitbringen, die auf einer nahezu unbewohnten Insel nötig sind: Wer nach Gorgona versetzt wird, ist meist Bauer, Mechaniker oder Elektriker.

Gorgona, Fußballplatz
nur 160 Einwohner, aber einen eigenen Fußballplatz

Davon können wir uns bereits beim Anlegen in dem winzigen Hafen von Gorgona überzeugen: Ein Häftling kommt prompt mit dem Traktor angefahren, um vom Festland gelieferte Güter auszuladen. Wir haben übrigens im Rahmen eines geführten Tagesausflugs (die einzige Möglichkeit, die Insel zu besichtigen) von der Hafenstadt Livorno übergesetzt – unter strengen Sicherheitsvorkehrungen: Weder Handy oder Tablet noch Fotokameras dürfen mit von Bord genommen werden; sie werden eingesammelt und müssen auf dem Schiff verbleiben.

Häftlinge, Wärter – und 37 reguläre Einwohner

Völlig unbeeindruckt davon sind die „richtigen“ Einwohner des Eilands, die mit Einkaufstaschen behangen, mit uns aussteigen. Gorgona hat nämlich neben den Häftlingen und Wärtern auch 37 freie Einwohner, von denen die meisten nur die Sommermonate auf der Insel verbringen und die unvergleichliche Ruhe dort genießen. Nur zwei von ihnen leben tatsächlich das ganze Jahr über auf Gorgona – Seite an Seite mit den Häftlingen.

Insel Gorgona, Bar im Hafenort
einziger Treffpunkt auf Gorgona: die Bar im Hafenort

Mit den Insassen und Wärtern kommt Gorgona auf ganze 160 Einwohner. Dennoch kommt uns der Hafen bei der Ankunft richtiggehend quirlig vor. Ständig müssen wir einem Auto der Gefängnisverwaltung Platz machen. Unser Fremdenführer grüßt den Direktor, der soeben in einem Jeep an uns vorbeifährt. Das Leben konzentiert sich eben auf den kleinen, an die felsige Küste gebauten Hafenort, die einzige Siedlung auf Gorgona, die als Fischerdorf aber immerhin schon seit dem 17. Jahrhundert exisitert. Vorher war die Insel in der Hand von Etrusker, Römern, Pisanern, Piraten und Mönchen gewesen.

Gorgona Strand, Toskana, Italien
der kleine Strand am Hafen

Landwirtschaft als Resozialisierungsprogramm

Im Ort gibt es außer einer Hand voll Wohnhäusern auch einen Fußballplatz, auf dem immer wieder mal Turniere zwischen Wärtern und Insassen ausgetragen werden, einen Strand, an dem ein paar Bewohner baden (Häftlinge haben Badeverbot) und sogar eine Bar, die Kaffee, Snacks und landwirtschaftliche Produkte verkauft.

Gorgona, Torre Vecchia
die abenteuerlich auf einem Felsen errichtete Torre Vecchia

Die Insassen betreiben nämlich reichhaltig Landwirtschaft, die Viehhaltung (Kühe, Schweine, Hühner, Ziegen, Schafe), Imkerei, Obst- und Gemüseanbau sowie Weinbau umfasst. Die Weinfelder gehören zur Kellerei Frescobaldi aus Florenz, die den Gefängniswein verkauft. Tüchtige Häftlinge bekommen nach dem Ende ihrer Strafe sogar ein Jobangebot von Frescobaldi.

Unberührte Natur

Zumindest aus der Sicht eines Touristen wirkt der Alltag auf Gorgona wie die reinste Idylle. Das liegt an dem offenbar unverkrampften Umgang zwischen Bewohnern, Häftlingen und Wärtern, dem ländlichen Lebensstil, aber auch an der schönen Natur. Gorgona ist nämlich, abgesehen von den wenigen Gebäude und den landwirtschaftlichen Flächen, sehr unberührt. Den größten Teil des Tagesausflugs nimmt insofern eine Wanderung durch die mediterrane Vegetation ein. Auf der felsigen Insel geht es ständig auf und ab, und die dichte Macchia umschließt uns bisweilen wie ein Urwald.

Unser Weg führt uns unter anderem zu einer der beiden Festungen der Insel. Die „Torre Vecchia“ genannte Burg wurde von den Pisanern im 13. Jahrhundert waghalsig auf einen Felsen gebaut und diente der Kontrolle des Schiffverkehrs. Im Tyrrhenischen Meer navigierende Piraten konnten so frühzeitig gesichtet werden.

Gorgona, Cala Maestra
Nichts als das sanfte Rauschen der Wellen: die Bucht „Cala Maestra“

Höhepunkt der Wanderung ist aber die Ankunft an den Klippen am nördlichsten Zipfel Gorgonas, der „Cala Maestra“. Hier legt die Gruppe extra eine „Schweigeminute“ ein, um die Stille dieses Orts zu genießen. Und tatsächlich: Außer dem Kreischen der Möwen und dem Rauschen der Wellen tief unter uns ist kein Laut zu hören.

Wieder in der „Zivilisation“, d.h. im Hafenort angekommen, haben wir noch ein wenig Zeit, am einzigen zugänglichen Strand Gorgonas zu baden und das glasklare Meer dieses abgelegenen Eilands zu genießen.

Veranstalter der Tagesausflüge nach Gorgona ist Toscana Mini Crociere. Termine und Reservierung über die Website www.toscanaminicrociere.it/gorgona/. Kosten: 58 Euro pro Person inkl. Fremdenführer.

Fotos von Toscana Mini Crociere

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