Gavorrano – so beschaulich wie bedeutend

Verträumt und gemütlich wirkt Gavorrano heute. Dabei war der Ort noch vor 40 Jahren ein pulsierendes Industriezentrum. Im Bergbaupark lebt die bewegte Vergangenheit wieder auf. Und die Gegenwart wird im „Felstheater“ gefeiert.

Gavorrano, Maremma
der hübsche Ortskern von Gavorrano

Wer in der Maremma unterwegs ist, stößt immer wieder auf den Begriff „Colline metallifere“ – „Eisenhügel“. Der Begriff ist wörtlich zu nehmen, denn die südtoskanischen Hügel sind tatsächlich sehr eisenhaltig. Bis Anfang der 1980er-Jahr prägte deshalb der Bergbau das Leben und Aussehen vieler Dörfer. Eines davon ist Gavorrano (andere Bergbauzentren waren Massa Marittima sowie große Teile der Insel Elba).

Spaziergang durch die Altstadt

In dem beschaulichen Dorfkern von Gavorrano zeugt auf den ersten Blick nicht mehr viel von dem harten Alltag der Bergarbeiter. Beim Rundgang durch das kleine, aber feine Centro storico strahlen ruhige Gässchen und unverputzte Steinfassaden typisch toskanische Dorfidylle aus. Auffällig ist die Kirche San Giuliano, dem Schutzpatron der Gemeinde geweiht, und mit Baujahr 1792 eines der jüngsten Gebäude des ansonsten mittelalterlichen Zentrums. Am Rande der Altstadt zeigen sich aufgrund der erhöhten Lage Gavorranos (immerhin 273 Meter über Meereshöhe) schöne Aussichten ins hügelige Maremma-Hinterland. Der Blick reicht sogar bis zu den quirligen Badestränden am Golf von Follonica.

Caldana, Gavorrano, Maremma
ebenfalls hübsch anzusehen: der Ortsteil Caldana

Kumpel-Alltag im Parco delle Rocce

Museo Minerario, Gavorrano
auf den Spuren der Bergleute

Kurz außerhalb des Ortskerns (der Via Matteotti ortsauswärts folgen) lebt die Vergangenheit Gavorranos als Bergarbeiterdorf aber umso intensiver wieder auf. Im „Parco delle Rocce“ („Felsenpark“) ist ein alter Stollen als Museumsbergwerk eingerichtet. Im Rahmen einer Führung werden die einzelnen Arbeitsschritte erklärt – von den Probebohrungen und dem Abstützen der Stollen bis zur Sprengung und dem Abstransport des Rohmaterials. Der Abbau im großen Stil begann Ende des 19. Jahrhunderts und bescherte Gavorrano den Ruf als eines der bedeutendsten Bergbauzentren Europas. Denn der Pyrit (ein im Volksmund „Katzengold“ genanntes Mineral) kommt hier in so großen Mengen vor wie kaum sonstwo. Pyrit ist ein wichtiger Rohstoff sowohl zur Gewinnung von Eisen als auch zur Herstellung von Schwefelsäure.

Museo Minerario, Gavorrano
im Museumsbergwerk

Theater im Steinbruch

Außer dem Untertagebergwerk kann auch der alte Kalksteinbruch besichtigt werden, wo Material abgebaut wurde, um die leergeräumten Stollen wieder aufzufüllen – ansonsten wären die ausgehöhlten Hügel regelrecht eingestürzt! Vor allem dieser Abbau des Füllmaterials hat die Gegend stark gezeichnet. Wie riesige Löcher klaffen die stufenförmigen Steinbrüche in der Landschaft. Glücklicherweise hat man aus der Not eine Tugend gemacht und ihnen neues Leben eingehaucht. Denn mittendrin wurde 2003 das „Felstheater“ („Teatro delle Rocce“) angelegt, in dem regelmäßig Events stattfinden. Vor allem das alljährliche Festival im Juli und August lockt mit Theater, Tanz und Musik die Besucher an. Zudem sind immer wieder internationale Stars zu sehen und zu hören; unter anderem gaben sich bereits Patti Smith, Alan Parsons und Steve Hackett die Ehre. Die ansonsten eher unansehnlichen Steinbrüche tragen im Freilufttheater sehr vorteilhaft zur imposanten, utopischen Atmosphäre bei.

Teatro delle Rocce, Gavorrano
stimmungsvolle Atmosphäre im Teatro delle Rocce

Noch eine Kuriosität: Auf dem Weg zum Teatro delle Rocce kommt man an einer kleinen Kirche vorbei – es ist die San-Rocco-Kapelle, geweiht dem Heiligen Rochus, Patron der Grubenarbeiter. Hier beteten die Kumpels und ihre Familien für unfallfreie Arbeitstage.

Infos

Feste in Gavorrano

Trotz seiner nur 8.500 Einwohner weiß Gavorrano zu feiern. Das sind die beiden Top-Events:

Anfang August: Salto della Contessa

Mit diesem Fest wird einer tragischen Geschichte gedacht, die auch in Dantes Göttlicher Komödie erzählt wird: Pia de‘ Tolomei war eine Gräfin aus Siena, die einen Adeligen aus der Maremma ehelichte. Dieser warf ihr bald Untreue vor und ließ sie deshalb in seiner Burg einsperren, dem Castel di Pietra bei Gavorrano (heute eine Ruine). Um sich ihrer schließlich zu entledigen (und für eine neue Ehe frei zu sein), ließ er sie aus dem Fenster eines Turms werfen. Zu Ehren der Pia de‘ Tolomei findet ein Umzug in historischen Gewändern statt, der durch die Straßen des Dorfs führt, wo Kunsthandwerker ihre Waren feilbieten und Essensstände für das leibliche Wohl sorgen. Am späten Abend dann der Höhepunkt des Events: Aus einem Turmfenster wird der Sturz der Gräfin („Salto della Contessa“) simuliert.

Ende September bis Mitte Oktober: Sagra della Polenta

Der Ortsteil Bivio di Ravi steht zu diesem kulinarischen Dorffest ganz im Zeichen der Polenta. Bei der „Sagra della Polenta“ gibt es den Maisbrei in allen erdenklichen Variationen zu essen, nebst anderen lokalen Spezialitäten. Bands und Tanzshows sorgen für das Rahmenprogramm. (Hier erfahrt ihr mehr über das Konzept einer „Sagra“.)

Unser Übernachtungstipp in Gavorrano

Casa Conti di Sotto, Ferienhaus Maremma, Toskana

der Agriturismo Casa Conti di Sotto, nur 1 Kilometer vom Dorfzentrum entfernt – mit Pool und vielen Angeboten für Kinder

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Eine Antwort zu Gavorrano – so beschaulich wie bedeutend

  1. Gerald sagt:

    Max, schön, dass Du Dich auch der industriellen Vergangenheit der Maremma widmest. Die Spuren des kargen Lebens, der harten Arbeitsbedingungen, der tragischen Unfälle und der Kämpfe der Kumpel und ihrer Familien um gerechte Lebenschancen sind hier in der Gegend überall zu finden. Ein bisschen Gespür, Mut zum Fragen und Deine Beiträge helfen dabei. Mehr davon!

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