Vin Santo mit Cantucci: ein Klassiker unter den toskanischen Desserts. Der Süßwein trägt das Heilige nicht nur im Namen, sondern ist auch in seiner Herstellung tief religiös.
Vielleicht habt ihr bei einem Restaurantbesuch in der Toskana schon einmal das Gericht „Cantucci + Vin Santo“ unter den Nachspeisen auf dem Menü entdeckt. Cantucci (oder Cantuccini) sind natürlich die allseits bekannten und beliebten Mandelkekse. Aber Vin Santo?
Tiziana Lucentini ist Diplom-Sommelière (3-jährige Ausbildung in Italien mit abschließendem Staatsexamen) und Mitglied des Italienischen Sommelier-Verbands AIS. Aus einer südtoskanischen Winzerfamilie stammend und Besitzerin eines Weinbergs bei Manciano in fünfter Generation kennt sie sich mit toskanischen Tropfen bestens aus. Sie veranstaltet regelmäßig Verkostungen (live und online). Mehr auf sommeliertiziana.com.
Vin Santo bedeutet wörtlich „heiliger Wein“. Dementsprechend genießt man dieses Getränk besonders gerne an Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern. Aber eben auch ganz normal zum Dessert. Es handelt sich sogar ausdrücklich um einen Dessert-Wein. Wer ihn probiert, merkt sofort, dass er wesentlich süßer als normaler Wein schmeckt. Das liegt an seiner besonderen Herstellungsweise.
Spätestens seit der Pest ein heiliges Getränk
Doch beginnen wir am Anfang, nämlich da, als der Vin Santo heilig wurde: Es war Mitte des 14. Jahrhunderts, als in Europa die Pest wütete. In der Toskana kümmerten sich unter anderem Franziskanermönche um die Kranken. Sie meinten, eine heilsame Wirkung des Dessertweins auf ihre Patienten zu erkennen. Zumindest berichteten die Kranken immer wieder von einer Linderung der Symptome. Jedenfalls verwendeten die Franziskaner den Vin Santo fortan als Heilmittel.
Untrennbar mit dem Kirchenjahr verbunden
Heute findet die Heilkraft des Getränks deutlich weniger Beachtung als sein Geschmack, doch die durch den Franziskaner-Orden geknüpfte Verbindung zur Religion ist geblieben. Nicht nur wird der Vin Santo vornehmlich an Feiertagen getrunken, sondern auch an solchen hergestellt. So werden die Trauben entweder an Allerheiligen, Weihnachten oder Ostern zu Most gemacht. Nach dem Keltern reift der Wein in kleinen Holzfässern und wird entweder an Allerheiligen oder Ostern in Flaschen abgefüllt.
Warum schmeckt der Vin Santo süß?
Bevor die Trauben allerdings gekeltert werden, werden sie getrocknet. Dadurch verlieren sie an Flüssigkeit – sie entwickeln sich, je länger man sie trocknet, fast zu Rosinen – und nehmen verhältnismäßig an Zucker zu. So entsteht eben kein normaler Wein (bei dem die Trauben nach der Ernte unmittelbar weiterverarbeitet werden), sondern Süßwein.
Wozu passt Vin Santo?
Und als Süßwein passt er am besten zu Süßem! Seine besten Freunde sind die Cantucci, die man direkt in den Vin Santo tunkt. Das ist keineswegs schlechter Stil, sondern darf und soll auch im Restaurant so gemacht werden. Wenn ihr also einen Teller mit Cantucci sowie ein Glas Vin Santo serviert bekommt, sollt ihr den Wein nicht trinken, sondern ihn als „Dip“ benutzen.
Die „Mutter“: das Plus an Geschmack
Winzer wissen, dass das Geheimnis eines guten Vin Santo in der „Madre“ (Mutter) liegt, also in dem Rest des Vorjahres-Weins, der im Holzfass zurückbleibt und das Plus an Geschmacksintensität zum Wein des aktuellen Jahres hinzufügt.
In den Fässern reift der Vin Santo mindestens drei Jahre; so mancher Hersteller lässt ihn aber auch zehn Jahre lang ruhen, bevor er in die Flasche kommt. Als Traubensorten werden meist Trebbiano und Malvasia verwendet – in einer weniger bekannten Version auch die Toskana-Rebsorte schlechthin, der Sangiovese.
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